Biokunststoffe. Kein Bio. Keine Lösung.

Vanessa Koch — — 6 Minuten

Der Begriff „Bio-Kunststoff“ ist ein Paradoxon, entwickelt in Marketingabteilungen von Unternehmen, die den Zeitgeist erkannt haben. Denn sobald wir das lesen denken wir, dass diese Kunststoffe per se besser und umweltfreundlicher sind als herkömmlicher Kunststoff. Denn das Wort „Bio“ steckt drin. Mit dem wir mittlerweile automatisch verbinden, dass etwas rein natürlich, und gut für uns und die Natur ist. Einige Kunststoffe versprechen sogar, dass sie sich in der Natur vollständig und schnell abbauen lassen.

Biokunststoff ist keine Lösung.
Mittlerweile gibt es fast alles aus Bioplastik: Tüten, Flaschen, Becher. (Foto: Shopify Partners)

Doch sind Biokunststoffe wirklich so umweltfreundlich? Mal schauen, es gibt zwei Varianten: Den biobasierten Biokunststoff und biologisch abbaubare Kunststoffe:

Biobasierte Biokunststoffe.

Sie werden aus nachwachsenden Rohstoffen, wie Maisstärke, Cellulose oder Milchsäure hergestellt. Dadurch werden fossile Rohstoffe wie z.B. Erdölvorkommen geschont. Klingt erstmal gut, doch diese Rohstoffe müssen chemisch so verarbeitet werden, dass Polymere entstehen, die jenen gleichen, die aus Erdöl erstellt werden. Es gibt auch Biokunststoffe, die aus pflanzlichen Rohstoffen und aus Mineralöl hergestellt werden (Mischpolymerisate).

Übrigens: Bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden Kunststoffe fast ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Erst seit Ende des Zweiten Weltkrieges werden vermehrt fossile, nicht erneuerbare Ressourcen, wie Erdöl oder Erdgas, als Rohstoffquelle genutzt. Warum? Erdöl war im Überfluss vorhanden und die Ölindustrie erkannte, wie sie so mit Erdöl noch mehr Geld verdienen konnte. Zum anderen wurde gerade die Herstellung von Kunststoffen durch Erdöl mit Subventionen und cleveren Steuermodellen unterstützt.

Seit Anfang der 2000er sind Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wieder gefragt, weil die Erdölvorkommen endlich sind.

Biologisch abbaubare Biokunststoffe.

Sie können sowohl aus nachwachsenden Rohstoffen als auch aus fossilen Rohstoffen hergestellt sein. Biologisch abbaubar bedeutet, nach DIN EN 13432, dass sich ein Material nach einer festgeschriebenen Zeit unter definierten Temperatur-, Sauerstoff und Feuchtebedingungen in der Anwesenheit von Mikroorganismen oder Pilzen zu mehr als 90 Prozent zu Wasser, Kohlendioxid (CO2) und Biomasse abgebaut haben muss. 1

Bei derzeitigen abbaubaren Biokunststoffen wird unter anderem vom Umweltbundesamt bemängelt, dass bei der Kompostierung außer Wasser und Kohlendioxid keine kompostwertigen Biosubstanzen übrigbleiben. Für den Hauskompost sind diese Kunststoffe ohnehin nicht geeignet, denn der Hauskompost erfüllt die Abbauvoraussetzungen nicht und der abbaubare Biokunststoff kann nicht abgebaut werden.

Generell stehen das Umweltbundesamt und die Umweltverbände Biokunststoffen sehr kritisch gegenüber. Während die europäischen Verbände der Kunststoffproduzenten (PlasticsEurope) und der Kunststoffverarbeiter (EuPC) Biokunststoffe und vor allem abbaubare Biokunststoffe als großen Beitrag zum Umweltschutz feiern, sieht das Umweltbundesamt diese Materialien als reines Marketinginstrument an. 2

Denn tatsächlich ist bei Biokunststoffen die Ökobilanz und die CO2 Bilanz auch nur geringfügig kleiner, als beim herkömmlichen Kunststoff.

Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes kommt zu folgendem Ergebnis:

Durch den Anbau und die Verarbeitung von Pflanzen für diese Verpackungen versauern Böden und eutrophieren (überdüngen) Gewässer stärker als durch die Herstellung herkömmlicher Kunststoffverpackungen. Zudem entstehen höhere Feinstaubemissionen.

Dazu kommt, dass bisher kaum ein Hersteller an Recycling denkt. Es gibt keinen Konsens unter den Herstellern, der vorsieht, dass die biobasierten Kunststoffe recycelt werden können. Aus ihrer Sicht sind sie alle wiederverwertbar. Leider setzen sich auch Biokunststoffe aus unterschiedlichen Inhaltsstoffen zusammen. Es ist technisch einfach nicht möglich, diese wieder zu verwerten. Am Ende bleibt nur noch die thermische Verwertung, die Müllverbrennung.

Natürlich recycelbar.

Viele Biokunststoffe werden mit recycelbar beworben. Auf den ersten Blick suggeriert es uns, dass wenn wir diesen Kunststoff zum Wertstoff geben, er auch tatsächlich recycelt werden kann. Stimmt das? Leider nein. Biokunststoffe können aufgrund ihrer unterschiedlichen chemischen Zusammensetzung nicht einfach in das herkömmliche Wertstoffsystem für Kunststoffe integriert werden. In vielen Fällen können sie nicht zusammen mit herkömmlichen Kunststoffen recycelt werden, da sie sich nicht miteinander vermischen lassen und spezielle Recyclingverfahren erfordern, die bisher noch nicht industrialisiert wurden.

Bisher haben solche Kunststoffe den Recyclingcode "07 - Others" bekommen. Dieser Recyclingcode wurde für alle Kunststoffe verwendet, die aus verschiedenen Kunststoffarten oder aus Kunststoffen und anderen Materialien hergestellt wurden und somit schwer zu recyceln waren. Also auch Biokunststoffe, Komposite und andere neue Kunststoffmaterialien, die keine einheitliche Recyclingmethode hatten. Doch es fehlt bei diesen Kunststoffen an standardisierten Recyclingmethoden so dass das Recycling dieser Kunststoffe erschwert wurde. Häufig führte es zu einer unvollständigen Trennung von Abfällen, was wiederum zu Verunreinigungen und Problemen bei der Verarbeitung führte. Wenn möglich wurden diese Kunststoffe aussortiert und thermisch verwertet (verbrannt). Aus diesem Grund wurde beschlossen, den Recyclingcode 07 ab 2022 abzuschaffen. Das Ziel dabei, das Recycling von Kunststoffabfällen effektiver und umweltfreundlicher zu gestalten.
Was bedeutet das nun für die Biokunststoffe? Diese gehören ab jetzt in den Restmüll, weil sie sich nicht industriell recyceln lassen.

Allerdings: es gibt ein kleines Fünkchen Wahrheit an dem “recycelbar”. Bestimmte Hersteller von diesen Biokunststoffen, können ihre gebrauchten Biokunststoffe wieder in ihre Fertigung integrieren. Vorausgesetzt, sie bekommen diese so rein wie möglich geliefert. Daher geben auch einige Hersteller von z.B. Mehrwegbechern, wie z.B. Kaffeeform an, dass diese direkt an den Hersteller geschickt werden sollen, wenn sie kaputt sind oder einfach nicht mehr gebraucht werden, damit sie diese in ihren Produktionskreislauf für neue Produkte zurückführen können.

Leider auch gesundheitsschädlich.

Biokunststoffe sind auch per se nicht unbedenklich für die Gesundheit. Sie können gesundheitsschädliche Eigenschaften aufweisen. Ein Beispiel hierfür sind Biokunststoffe, die aus Stärke oder Cellulose (z.B. aus Bambus) hergestellt werden und mit chemischen Additiven wie Weichmachern, Flammschutzmitteln oder Antiblockmitteln behandelt werden. Diese Additive können sich bei hohen Temperaturen in Kontakt mit Salz, Fetten, Ölen oder Säuren aus den Biokunststoffen lösen und in die Umwelt oder Lebensmittel gelangen, wenn die Biokunststoffe verwendet werden, z. B. in Verpackungen oder als Geschirr. Einige dieser Additive können hormonelle Wirkungen haben oder werden als krebserregend eingestuft. Darüber hinaus können Biokunststoffe, die aus Pflanzen wie Mais oder Zuckerrohr hergestellt werden, auch Pestizidrückstände enthalten, die aus dem Anbau dieser Pflanzen stammen.

Daher ist es wichtig, dass Biokunststoffe auf ihre spezifischen gesundheitlichen Auswirkungen z.B. vom TÜV untersucht werden und auch als unbedenklich eingestuft und mit einem Zertifikat versehen in den Verkauf gebracht werden.

Fazit:

Biokunststoffe sind nicht besser als herkömmliche Kunststoffe. Bevor ihr also zu Produkten aus Biokunststoffen greift, verzichtet darauf und informiert euch über wirklich umweltfreundliche Alternativen.

Seifendose, rechteckig

3,50 €

Trinkbecher "Clean Ocean Project" (Small)

21,00 €

Urban Bottle Steel 1000 ml

24,00 €

1 – Umweltbundesamt: Biologisch Abbaubare Kunststoffe, August 2009

2 – Biokunststoffe nicht besser